Kreuzband
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Anatomie
Das Kniegelenk verfügt über ein vorderes Kreuzband (Lca) und ein hinteres Kreuzband (Lcp).
Diese ziehen kreuzförmig mitten durch das Gelenk. Ihre Funktion besteht vor allem darin, ein Ausweichen des Schienbeines nach vorne (vordere Schublade) und nach hinten (hintere Schublade) zu verhindern.
Kommt es zu einer Instabilität aufgrund eine Kreuzbandschadens, so sind mittelfristig Folgeverletzungen am Innenmeniskus (Mm) und auch am Außenmeniskus (Ml) sowie am Knorpel zu erwarten.
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Verletzung
Nur selten werden die Kreuzbänder degenerativ, d.h. abnutzungsbedingt geschädigt. Meist sind Sportverletzungen oder Verkehrsunfälle mit einer kräftigen Gewalteinwirkung für eine Ruptur verantwortlich. Manchmal liegt diese Verletzung schon mehrere Jahre zurück, bevor sie erkannt wird. Deshalb kommt es oft zu Fehldeutungen des degenerativen Kreuzbandrisses.
Typisch sind relativ langsame Verdreh-Traumen wie z.B. bei Skifahrern, die beim langsamen oder unsicheren Fahren stürzen und dabei den Unterschenkel verdrehen. Bei der Verletzung wird oft über ein spür- und hörbares "Schnalzen" berichtet.
Der Schmerz ist anfangs erträglich. Auch ist das Knie anfänglich meist nicht geschwollen. Mit einiger Latenz kommt es dann zu praller Schwellung durch Einblutung in das Gelenk mit nachfolgend starken Schmerzen.
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Erstversorgung
Bei Verdacht auf eine Kreuzband-Ruptur soll möglichst sofort gekühlt und komprimiert werden. Bei der Kompression ist darauf zu achten, daß die Blut-Versorgung des Unterschenkels nicht unterbrochen und keine venöse Stauung herbeigeführt wird. Am besten eignen sich Kompressionsverbände, die am Fußrücken beginnen und bis über das Knie gewickelt werden. Auf das Knie kann dann z.B. ein Eisbeutel gelegt werden.
Schmerzmittel sollen möglichst nicht eingenommen werden, bis ein Arzt das Knie untersuchen konnte (sonst könnten die Symptome falsch gedeutet werden). Bis zur Untersuchung durch den Arzt sollte der Patient nüchtern bleiben (nicht essen, trinken oder rauchen), falls eine sofortige Operation (selten notwendig) durchgeführt werden
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Diagnostik
Um knöcherne Begleitverletzungen auszuschließen wird das Kniegelenk in zumindest zwei Ebenen geröngt.
Die meisten Informationen erhält dann der erfahrene Unfallarzt durch die manuelle Untersuchung. Ultraschall kann Aufschlüsse über Begleitverletzungen z.B. der Seitenbänder, der Menisken und der Adern geben.
Bei unklaren und länger zurückliegendenVerletzungen kann eine Kernspintomographie (NMR) sinnvoll oder notwendig sein. Meist wird aber der Informationsgrad der Kernspintomographie im Vergleich zur körperlichen Untersuchung überschätzt.
Ist eine Operation geplant, so können sich noch einige weitere Untersuchungen wie EKG, Laborkontrolle von Blutwerten anschließen.
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Operations-Indikation
Grundsätzlich ist kurzfristig (nicht sofort, aber baldmöglichst) eine Operation angezeigt, wenn Blut im Knie vermutet wird (Hämarthros). In diesem Fall wird zunächst das Blut enfernt, dann werden Begleitverletzungen wie Meniskusrisse versorgt.
Inzwischen ist es die Ausnahme, daß bei dieser ersten Operation auch gleich das Kreuzband ersetzt wird. Bei einer frischen Verletzung steigt die Bereitschaft des Kniegelenkes, mit einer übermäßigen Narbenbildung zu reagieren. Die Beweglichkeit des Kniegelenkes wäre eingeschränkt und Rehabilitation unnötig verlängert.
Außerdem möchte man dem Knie die Chance geben, ohne aufwändige Kreuzbandoperation zurechzukommen. Patienten die eine kräftige Muskulatur mit guter Reflexsituation haben, können unter Umständen die Instabilität kompensieren. Ist man körperlich nur wenig aktiv, so kann es auch sein, daß man sein Kreuzband nicht vermißt.
Wenn schwerwiegende Gründe eine schnellstmögliche Stabilität erfordern (z.B. Profi-Sportler mit Millionenverträgen), kann primär ein Kunststoffimplantat (sog. alloplastische Materialien) eingesetzt werden. Dies ist sofort stabil. Aufgrund von Materialermüdungserscheinungen kommt es jedoch nach einigen Monaten bis Jahren zu einer Schädigung des Implantates, die eine erneute Operation notwendig macht.
Die eigentliche Kreuzbandersatzplastik sollte durchgeführt werden, wenn sich das Knie beruhigt hat (frühestens nach 3-4 Wochen).
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Welches Transplantat
Heute kann es als Standard angesehen werden, körpereigenes Gewebe (autologe Materialien) zu verwenden. Eigene Sehnen heilen in der Regel gut ein, und können sich bis zu einem gewissen Maß wieder regenerieren. Das sogenannte "Leichenband" (Allograft) kann zu Abstoßungs- oder Allergie-Reaktionen führen.
Neben selteneren Implantaten wie Quadrizeps-Sehne, Plantaris-Sehne und Tracus-Iliotibialis hat sich inzwischen die Verwendung der Semitendiosus-Sehne oder Teile der Patellasehne durchgesetzt.
Die Semitendinosus-Sehne zieht von der Innenseite des Oberschenkels an der inneren Kante der Kniekehle vorbei bis kurz vor den Schienbeinhöcker (tuberositas tibiae) und setzt dann am pes anserinum ca 3cm unterhalb und 2cm innen neben dem Schienbeinhöcker an. Die Patellasehne führt von der Kniescheibe direkt zum Schienbeinhöcker.
Bei Erst-Verletzungen bevorzugen wir die Technik mit der Semitendinosus-Sehne, da hierbei sehr schonend das Transplantat entnommen werden kann (kleine Narbe). Die Narbe befindet sich später an einer Stelle, die im Alltag kaum stören kann. Die inzwischen vorliegen Langzeitergebnisse zeigen eine hohe Zuverlässigkeit dieses Verfahrens.
In besonderen Fällen, wie z.B. bei Zweit- und Drittverletzungen des Kreuzbandes führen wir natürlich auch die Verfahren mit der Patella-Sehne oder den anderen Implantaten durch.
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Die Kreuzbandoperation (Semitendinosus-Plastik)
Nach arthroskopischer Sicherung der Diagnose und Entfernung von schädlichen Narben im Kniegelenk wird die Semitendinosus-Sehne über einen ca 3cm langen Schnitt entnommen. Die Sehne wird vierfach zusammengelegt und mit speziellen Fäden vernäht.
Über Zielgeräte werden unter arthroskopischer Kontrolle Bohrungen exakt an den "Aufhängungspunkten" des alten Bandes gebohrt. Die Positionierung dieser Punkte ist extrem wichtig, da es bei Fehlern zu Früh-Schädigungen des Implantates kommt.
Die vorbereitete Sehne wird dann in das Gelenk eingezogen. Befestigt wird das Implantat mit zwei kleinen Titan-Plättchen (Titan wird vom Körper sehr gut vertragen. Eine Entfernung der Plättchen ist in der Regel nicht notwendig). Alternativ oder zusätzlich kann mit Schrauben, die sich nach einigen Monaten, auflösen stabilisiert werden.
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Nachbehandlung
Direkt nach der Operation wird durch spezielle Verbände Druck (Kompression) auf das Knie ausgeübt. Zusätzlich kühlen wir gerade in den ersten Stunden ausgiebig. Mit Schmerzmitteln sollte nicht gespart werden. Alle Patienten erhalten von uns noch im Aufwachraum eine erste ausführliche Anleitung.
Einige Stunden nach der Operation kann dann schon nach Hause entlassen werden. Die akut-Nachsorge ist durch eine 24-Stunden-Bereitschaft sichergestellt.
Die erste Kontrolle findet am Tag nach der Operation statt. Nun geht die Arbeit für den Patienten los: Kühlen, Krankengymnastik, Reflexübungen, Muskelstimulation, Bewegunsübungen, Isometrie... da kommt keine Langeweile auf.
Zwei Wochen wird mit Krücken unter Schutz einer Orthese (das ist eine Schiene, die dem Knie Bewegung erlaubt, aber gleichzeitig das Band schützt) entlastet werden.
In den folgenden zwei Wochen wird langsam die Belastung aufgebaut.
Nach 6 Wochen ist die erste Einheilungsphase abgeschlossen. Radfahren, kontrolliertes Schwimmen und Joggen wird nun langsam möglich.
Nach drei Monaten ist gegen Sport nichts mehr einzuwenden. Leistungssport und Fun-Actions (Bungee...) sollten aber erst nach 9 Monaten versucht werden.
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Risiken
Durch arthroskopische Operationstechniken steht uns ein Verfahren zur Verfügung, das die Belastung auf ein Minimum reduziert. Die Risiken einer Operation sollte man aber kennen:
Blutungen sind bei uns Chirurgen natürlich nicht zu vermeiden. Gefährliche Blutungen sind aber die absoluten Ausnahmen. Da es auch selten notwendig ist, ein Knie nach einer Kreuzbandoperation zu punktieren, können wir auch auf Drainagen (Schläuche) im Gelenk verzichten.
Damit sinkt auch das Risiko einer Infektion. Natürlich bieten wir eine technische und fachliche Ausstattung auf dem neuesten Stand, so dass wir alles erdenkliche für Ihre Sicherheit tun können.
Um Thrombosen vorzubeugen, verabreichen wir vor und nach der Operation Heparin.
Selten kann es in der Umgebung von Narben zu Taubheitsgefühlen kommen.
Genaueres erfahren Patienten dann im Aufkärungsgespräch und in den mitgegebenen Unterlagen.
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Ziele
Eine Kreuzbandoperation wird durchgeführt, um die Lebensqualität zu erhalten und zu verbessern.
Die Sportfähigkeit soll wieder erlangt oder gesteigert werden.
Der Beruf soll weiter ausgeübt werden können. Den Alltag sollten keine Knieprobleme mehr beherrschen.
Langzeitschäden werden gemindert oder vermieden.